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EnglishTranslated by Tatjana Marwinski
„Irgendjemand wird die Fußleisten schon neu streichen..."
Dieser Satz kreist unentwegt in Margots Gedanken. Die Immobilienmakler hatten am Ende der Besichtigung auf der Vortreppe unschuldig ein paar Worte gewechselt, aber dieser Satz blieb bei Margaret hängen und hallte unaufhörlich in ihren Ohren wider. So sehr, dass dieser schöne sonnige Septembernachmittag ihr ein klebrig, süßliches Gefühl hinterlässt, ein wenig wie das von Trauben aus der Spätlese, die an Fingern und Zunge einen zuckrigen Geschmack hinterlassen, den man nur schwer wegbekommt.
Warum haben gerade die Fußleisten die Aufmerksamkeit dieser beiden geweckt?
Der Wagen der Makler ist gerade durch das Tor gefahren. Margot setzt sich auf die oberste Treppenstufe der Veranda und geht geistig den Ablauf der Besichtigung noch einmal durch: die Makler tauschten erfahrene Blicke über die Möbelund den schönen Zuschnitt der Räume aus. Sie machten kleine Bemerkungen, klopften die Wände ab und schätzen die Preisspanne.
Sie steht auf und beschließt, den Zustand der Fußleisten selbst zu überprüfen. Sie geht hinauf in den ersten Stock und von einem Raum zum nächsten. Es stimmt schon, dass das Holz stellenweise unansehnliche schwarze Streifen aufweist, Stoßspuren umgestellter Möbelstücke, Scheuerspuren vom Besen oder Staubsauger. Ein scharfer Kontrast zu den Tapeten und Wänden die erst vor kurzem neu gemacht wurden.
Margot macht sich Vorwürfe. Wie konnte sie dieses Detail übersehen, das ihr heute so groß und hässlich erscheint, dass es den Verkauf des Hauses gefährden könnte?
Margot, seit drei Jahren verwitwet, ist die Entscheidung schwergefallen, sich von diesem Familiengut in der Normandie zu trennen. Sie hängt sehr daran, kann sich jedoch die Instandhaltung nicht mehr leisten. . Zwar hat sie eine Arbeit, die es ihr ermöglicht, die Miete ihrer Wohnung in der Nähe von Paris zu bezahlen, aber diese Zweitwohnung in der Normandie wird finanziell, obwohl sie ihr angenehme Wochenenden beschert, zu einem Fass ohne Boden. Sie kann immer noch nicht sagen, was sie schließlich zu dieser Entscheidung bewogen hat. Sie muss gedacht haben, dass es ein günstiger Zeitpunktist, jetzt wo sich der Immobilienmarkt wieder ein wenig erholt hat.
Sie schiebt ihre Gedanken beiseite und greift zum örtlichen Telefonbuch. Sie muss einen Handwerker finden, der sich möglichst schnell um den Austausch der Fußleisten kümmert. Nach mehreren erfolglosen Anrufen gelingt es ihr, mit einem gewissen Pierre Laroque einen Termin für den nächsten Tag zu vereinbaren. Ein Wunder, dachte sie, die Handwerker sind immer so überlastet!
Am nächsten Morgen gegen zehn sitzt Margot an dem runden Tischchen in der Gartenlaube und trinkt genussvoll eine Tasse Kaffee, während sie sich von den Sonnenstrahlen streicheln lässt. Plötzlich schreckt sie hoch, denn vor ihr steht ein Mann, der sich geräuschlos genähert hat und sie beobachtete. Sie ist darüber verlegen und spürt ihre Wangen erröten.
Nachdem sie sich vorgestellt hat, führt sie Pierre Laroque zu dem Gebäude und erklärt ihm den Grund ihres Anrufs. Wenn er die Arbeiten schnell in Angriff nehmen könne, wäre sie ihm dankbar; sie erklärt ihm, dass sie noch zwei Wochen im Urlaub ist, und bietet ihm einen Kaffee auf der Veranda an. Er hört ihr zu, beobachtet sie und lässt seinen Blick über die schöne Umgebung schweifen. Übermorgen werde er anfangen, vorzugsweise frühmorgens, sofern sie nichts dagegen habe. Nachdem sie sich verabschieden, sieht sie ihm beim Verlassen des Gartens hinterher. Sie bewunderte den Gang und die Statur dieses gutaussehenden Mannes, ein wenig irritiert durch die Gefühle, die sie überkommen.
Die Arbeiten dauerten eine Woche. Pierre Laroque aß oft in Margots Gesellschaft zu Mittag und zu Abend unter der Laube. Der Garten hatte schon lange nicht mehr das laute Lachen der Eigentümerin vernommen. Ein oder zweimal brannte das Licht der Kerzen auf dem kleinen Tisch bis spät in die Nacht hinein.
Dann verschwand das Schild „Zu verkaufen" vom Tor.