Die Begegnung

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Translated by Polly Langenbach

Ich ging wie jeden Tag von der Schule durch den Park nach Hause, als er plötzlich direkt vor mir auftauchte.
Es war das erste Mal, dass ich ihn sah. Er war so schön, dass ich mit offenem Mund ein paar Meter vor ihm stehenblieb. Mein Herz raste!

Er saß ruhig auf einer Bank und betrachtete die Spaziergänger mit gleichgültiger Miene. Ich hätte gerne mit ihm gesprochen, aber bevor ich mich annähern konnte, richtete er sich auf und verschwand. Ich traute mich nicht, ihm zu folgen. Also bin ich nach Hause gegangen.

Aber sein Bild verfolgte mich den ganzen Abend. Seine schönen grünen Augen, seine lässige Art. Ich konnte mich auf nichts anderes konzentrieren und brauchte lange, um mit meinen Hausaufgaben fertig zu werden.

Am nächsten Tag hoffte ich so, ihn wiederzusehen, dass mir ganz flau war! Ich ging langsam, sehr langsam durch den Park bis zu der Bank, wo ich ihn am Vortag gesehen hatte. Er war da!
Mein Herz hüpfte vor Freude, als ich ihn sah! Ich fand ihn noch schöner als am Tag zuvor!

Er war ausgestreckt, hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen.
Ich schlich mich an ihn heran und blieb vor der Bank stehen. Ich streckte langsam die Hand aus, um ihn zu berühren, um ihn aufzuwecken, um mit ihm zu sprechen.
Aber plötzlich riss er die Augen auf und starrte mich an, als hätte er meine Präsenz spüren können! Ich erschrak, wich zurück und schämte mich, dass er mich überrascht hatte.
Er richtete sich auf, warf mir einen letzten Blick zu und verschwand.

Als ich in den nächsten drei Tagen im Park an ihm vorbeiging, tat ich so, als sei nichts. Ich schämte mich so, dass ich schnell nach Hause eilte und nicht anhielt, um ihn zu betrachten. Jedes Mal hatte ich den Eindruck, dass er mich beobachtete, aber ich traute mich nicht, mich umzublicken, um Gewissheit zu haben.

Am Wochenende dachte ich nur an ihn.
Er war so schön, ich wollte mich ihm wirklich annähern, aber wie? Und dann hatte ich eine Idee. Als ich am Montag aus der Schule kam, nahm ich all meinen Mut zusammen und setzte mich neben ihn auf die Bank.

Ich hatte mein Pausenbrot aufgespart und begann, es zu essen, als ob nichts wäre.
Ich sah, dass er mich daraufhin fixierte, und deswegen bot ich ihm mit zitternden Händen die Hälfte meines Pausenbrots an. Er richtete sich auf und verschwand, ohne es überhaupt zu beachten.

Aber so schnell ließ ich mich nicht entmutigen! Vielleicht mochte er das Pausenbrot, das ich mir gemacht hatte, einfach nicht? Am nächsten Tag setzte ich mich wieder auf die Bank und hielt ihm wieder die Hälfte meines Pausenbrots hin, diesmal war es ein Stück Kuchen mit selbstgemachtem Jogurt.
Und diesmal stürzte er sich darauf, als sei er seit Tagen hungrig gewesen! Ich freute mich so! Dann bin ich wortlos aufgestanden und weggegangen, bevor er alles aufgeputzt hatte. Ich wollte ihn nicht erschrecken.
Am nächsten Tag veranstalteten wir denselben Zirkus. Ich setzte mich auf die Bank, holte mein Pausenbrot heraus und gab ihm die Hälfte. Während er es zu sich nahm, ging ich nach Hause. Ich hatte das Gefühl, dass er jetzt immer auf mich wartete.

Nachdem eine Woche dieses Spiels verstrichen war, sagte ich mir, dass ich zum nächsten Schritt übergehen musste. Nach der Schule ging ich zur Parkbank. Ich war fest dazu entschlossen, mit ihm zu sprechen.
Aber er war nicht da!
Ich schaute mich in der Umgebung um und sagte mir, dass er vielleicht auf einer anderen Bank saß, aber nein. Er war nicht da.

Ich war enttäuscht. Da hatte ich meinen ganzen Mut zusammengenommen, und er versetzte mich!
Natürlich war es nicht so, als hätten wir ein Treffen vereinbart, aber es war das erste Mal seit Tagen, dass er nicht kam.

Und wenn ihm etwas Schlimmes zugestoßen war? Und wenn ihm meine Gesellschaft nicht mehr gefiel? Und wenn er nie wieder zurückkommen würde?

Ich setzte mich auf die Bank und war traurig, weil er nicht da war. Ich musste die Augen schließen, um nicht zu weinen.

Da spürte ich plötzlich jemanden neben mir.

Und es war er. Er war wieder da! Ich war so glücklich!

Ich holte mein Pausenbrot heraus und gab es ihm.
Anstatt sich darauf zu stürzen wie sonst immer, blickte er mich lange an, kletterte dann auf meinen Schoß und schmiegte sich an mich. Welch eine Überraschung! Dabei hatte ich ihn so wild gefunden!
Ich streichelte ihn und schmuste mit ihm, und dann wir sind zusammen nach Hause gegangen.
Zu meiner riesigen Freude waren meine Eltern damit einverstanden, dass er bei uns blieb.

Es war das erste Mal, dass ich einen Kater adoptierte.

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