Zwei Alte auf einer Bank

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Translated by Polly Langenbach

Zwei kleine alte Herren saßen auf einer Bank. Sie sahen so aus, als würden sie auf den Bus warten, aber nachdem der Bus vorbeigefahren war, waren sie immer noch da.
Der links hatte einen Blumenstrauß. Der rechts öffnete eine Schachtel und hielt sie dem anderen hin. Es waren wohl Pralinen oder Bonbons drin, denn der andere nahm sich etwas heraus. Er bedankt sich, was zwar nicht zu hören war, aber von seinen Lippen abgelesen werden konnte.
Der rechts nahm sich auch etwas aus der Schachtel und machte diese wieder zu.
 
Dann warteten sie weiter, auf was genau, wusste man nicht, denn es kam noch ein Bus, und sie blieben wieder sitzen.
Der mit dem Blumenstrauß machte seine Tasche auf und holte ein Buch heraus. Zunächst blätterte er schnell mit dem Daumen die Seiten durch, dann schaute er sich das Inhaltsverzeichnis an und begann zu lesen.
Der mit den Pralinen blickte starr vor sich hin. Er sagte nichts.
Ein Auto fuhr vorbei. Es stimmt, dass auf dieser Straße nicht viel Verkehr war, außer jede Viertelstunde ein Bus und nun dieses Auto. Aber es raste vorbei ohne anzuhalten, es fuhr woanders hin.
Der mit den Pralinen wäre beinahe eingeschlafen. Sein Kopf neigte sich leicht nach vorne, dann zur Seite. Als er die Schulter seines Nachbarn berührte, richtete er den Kopf schnell wieder auf und öffnete wieder die Augen. Einen Augenblick später neigte sich sein Kopf wieder.
 
Der links las in seinem Buch weiter. Wenn er umblättern wollte, befeuchtete er vorher seinen Zeigefinger mit der Zunge. Manchmal nickte er mit dem Kopf. Der Blumenstrauß rutschte langsam auf den Boden. Es war von Anfang an spürbar gewesen, dass er sich mit diesen Blumen nicht wohlfühlte. Er hielt sie mit den Blüten nach unten oder zwischen seine Beine geklemmt und jetzt, am Ende, auf seinen Knien. Als der Kopf seines schlafenden Nachbarn seine Schulter berührte, schreckte er auf, was den anderen aufweckte. Er klemmte die Blumen unter seinen Arm und las weiter.
 
Immer, wenn der Bus kommt, sind die beiden alten Herren bereit. Sie schlafen dann nicht mehr, sie lesen dann nicht mehr. Wenn der Bus wieder abfährt und sich wieder Stille auf der Landstraße zum Dorf einstellt, findet jeder in seine Rolle zurück. Die Alten sind so gekleidet, als würden sie zu einem Fest gehen. Sie tragen glänzende Schuhe und blasse Krawatten. Bis zur Bügelfalte der Hose, bis zum abgewetzten aber makellos gebügelten Hemd.
Sie sind merkwürdig, diese beiden alten Herren. Etwas traurig anzuschauen. Obwohl sie sich nicht zu kennen scheinen, ähneln sie sich.
Es sind nicht oft Menschen an der Bushaltestelle. Jedenfalls keine, die einfach bleiben, auf den Bus warten und dann nie einsteigen. Es steigt auch nie jemand an dieser abgelegenen Haltestelle an der Landstraße aus.
 
Die Antwort brachte ein Taxi, das an der Bank hielt.
Eine kleine alte Dame stieg aus ihm aus. Sie trug ein Kostüm aus einem anderen Zeitalter und ihre Wasserwelle glänzte vor Haarspray.
Sie sagte dem Taxifahrer, dass er warten solle, jedenfalls glaube ich das, weil sie sich zum Fahrer neigte und dieser nicht weiterfuhr.
Dann ging sie zu den beiden alten Herren, die aufgestanden waren. Sie blickten sie an, und ich glaube, es war wie beimersten Mal, dass sich niemand kannte, dass sie nicht wussten, was sie zu dieser Frau sagen sollten. Der eine hielt ihr jedoch seinen Blumenstrauß hin, der andere seine Pralinenschachtel.
Sie lächelte, ich sah sie lächeln und beide alte Herren auf die Wange küssen. Sie schaute sich die Blumen und die Pralinen an. Sie trat etwas zurück, um sie richtig betrachten zu können.
Für einen von ihnen war es vielleicht der Beginn eines letzten Augenblicks des Glücks. Für den, den sie am Arm nahm und zu dem Taxi führte, das sie mitnahm.
Für den anderen hingegen, der alleine am Rande dieser Landstraße stehengeblieben war, war es das Ende. Sie hatte die Pralinen vorgezogen.
 
In meinem Geschäft, dem alten Geschäft gegenüber der Bushaltestelle, bin ich aufgestanden. Ich sehe diesen Mann, der in eine Starre verfallen zu sein scheint. Ich weiß, dass er in einer Stunde immer noch da sein wird und in derselben Position verharren wird, falls er sich nicht auf die Bank sinken lässt.
Ich gehe nach hinten zu den Toiletten. Ich richte meine Frisur, nicht zu stark, etwas Parfüm, ein wenig Lippenstift; ich ziehe mein Kleid zurecht. Meine grauen Haare? Im Gegenlicht sind sie nicht zu sehen. Und in Anbetracht meines Alters sind sie mir auch nur schwer vorzuwerfen. Ich richte mich auf. Für eine kleine alte Frau stehe ich noch gut da.
Ich gehe wieder ans Fenster. Er ist immer noch da, wie versteinert. Es ist die letzte Chance für uns beide. An manchen Tagen braucht man keine Verabredung.
Ich hätte die Blumen angenommen.
 
Ich öffne die Tür.

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